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Beats Biblionetz - Begriffe

Theorie des zerbrochenen Fensters broken window theory

iconSynonyme

Theorie des zerbrochenen Fensters, broken window theory

iconDefinitionen

FreakonomicsDiese Theorie besagt, dass ein kleineres Ärgernis, wenn man sich nicht darum kümmert, zu einem großen Ärgernis wird. Das heißt, wenn jemand ein Fenster einschlägt und sieht, dass es nicht sofort repariert wird, leitet er daraus ab, dass er auch die restlichen Fenster einschlagen und das Haus vielleicht sogar anzünden kann.
Von Steven D. Levitt, Stephen J. Dubner im Buch Freakonomics (2005) im Text Wo sind all die Kriminellen geblieben?
Im Grunde gut«Das ist eine epidemische Theorie des Verbrechens», schrieb Gladwell. [6] Gerümpel auf der Straße, Uringestank im Hauseingang: Es seien tipping points für Mord und Totschlag. Die Botschaft einer zerbrochenen Fensterscheibe sei ja, dass die Ordnung nicht aufrechterhalten werde, woraus Kriminelle schlössen, dass sie es noch weiter treiben könnten. Wenn man also die Schwerkriminalität bekämpfen wolle, müsse man damit anfangen, die zerbrochenen Fensterscheiben zu reparieren.
Von Rutger Bregman im Buch Im Grunde gut (2019) im Text Tee trinken mit Terroristen

iconBemerkungen

Im Grunde gutIm Jahr 2015 erschien eine Metaanalyse von 30 Untersuchungen zur Broken-Windows-Theorie. Was zeigte sich? Es gibt keinen Beleg dafür, dass die aggressive Polizeiarbeit unter Bratton das Verbrechen verringert hat. [2] Nichts, nada, niente. Es macht eine Gegend nicht sicherer, wenn Strafzettel verteilt werden, ebenso wie die Titanic nicht gerettet worden wäre, wenn man das Deck geschrubbt hätte.
Von Rutger Bregman im Buch Im Grunde gut (2019) im Text Tee trinken mit Terroristen
Im Grunde gutErst jetzt, Jahre nach der Lektüre des Buchs von Malcolm Gladwell, wird mir klar, dass sich die Broken-Windows-Theorie auf ein unrealistisches Menschenbild gründet. Es ist die x-te Variante der Fassadentheorie. In New York begann die Polizei, in jedem einen potenziellen Kriminellen zu sehen. Der kleinste Fehler sollte schon der Anfang von etwas sehr viel Schlimmerem sein. Es gäbe nur eine hauchdünne Schicht an Zivilisation.
Von Rutger Bregman im Buch Im Grunde gut (2019) im Text Tee trinken mit Terroristen
Weapons of Math DestructionDiese Theorie führte in den ippoer-Jahren zu Nulltoleranzkampagnen, am bekanntesten ist wohl diejenige in New York City. Die Polizei nahm Jugendliche fest, die über die Drehkreuze an U-Bahnhöfen sprangen, um sich das Fahrgeld zu sparen. Sie nahmen Leute fest, die sich einen einzelnen Joint geteilt hatten und ließen sie stundenlang in einem Polizeitransporter durch die Stadt rumpeln, bevor sie schließlich auf einer Wache ihre Personalien aufnahmen.
Von Cathy O’Neil im Buch Weapons of Math Destruction (2016) im Text Civilian Casualties
Im Grunde gutIn der Theorie hatte es noch so schön geklungen, in der Praxis lief der Broken-Windows-Ansatz auf möglichst viele Verhaftungen hinaus. Korpsleiter Bratton geriet in den Bann von Statistiken. Vorgesetzte, die die besten Zahlen vorweisen konnten, durften mit einer Beförderung rechnen, wer im Rückstand war, bekam Ärger. So entstand ein Quotensystem: Polizeibeamte wurden unter Druck gesetzt, möglichst viele Strafmandate und Vorladungen auszustellen. Man fing sogar an, Vergehen zu erfinden. Stand jemand auf dem Bürgersteig und unterhielt sich? Festnahme wegen Blockierung eines öffentlichen Weges. Tanzten Kinder in der U-Bahn? Einkassieren wegen Störung der öffentlichen Ordnung.
Von Rutger Bregman im Buch Im Grunde gut (2019) im Text Tee trinken mit Terroristen
Im Grunde gutDer Broken-Windows-Ansatz hat sich auch als ein Synonym für Rassismus erwiesen. So hatten nur 10 Prozent der Personen, die wegen eines unbedeutenden Vergehens verhaftet wurden, eine weiße Hautfarbe. [6] Manche dunkelhäutigen Jugendlichen wurden jeden Monat durchsucht, und das jahrelang, auch wenn sie überhaupt nicht kriminell geworden waren. [7] Die Broken-Windows-Theorie hat die Beziehung zwischen der Polizei und den Minderheiten vergiftet, zahllosen Armen Geldbußen aufgebürdet, die sie nicht bezahlen konnten, und war manchmal sogar für ein tödliches Ende verantwortlich, beispielsweise, als 2014 ein Zigarettenverkäufer namens Eric Garner starb. «Jedes Mal, wenn Sie mich sehen, wollen Sie mir Probleme machen», hatte Garner noch zu einem Polizisten gesagt. «Ich kann das nicht mehr ertragen … Lassen Sie mich bitte einfach in Ruhe. Ich habe es Ihnen das letzte Mal auch gesagt: Lassen Sie mich bitte in Ruhe.» Die Polizei hatte ihn daraufhin zu Boden gerungen und in den Schwitzkasten genommen. «I can’t breathe» , waren Garners letzte Worte.
Von Rutger Bregman im Buch Im Grunde gut (2019) im Text Tee trinken mit Terroristen
Im Grunde gutInzwischen ist es fast vierzig Jahre her, dass der Artikel über die Broken-Windows-Theorie in The Atlantic erschienen ist. In dieser Zeit ist die Philosophie Wilsons und Kellings bis in die entlegensten Winkel der Vereinigten Staaten und darüber hinaus vorgedrungen, von Europa bis Australien. In seinem Buch Tipping Point nannte Gladwell die Theorie einen großen Erfolg, und ich selbst habe in meinem ersten Buch ebenfalls begeistert darüber geschrieben. [1] Was ich seinerzeit übersah, war die Tatsache, dass die meisten Kriminologen längst nicht mehr von diesem Ansatz überzeugt sind. Eigentlich hätten bereits die Alarmglocken schrillen müssen, als ich in The Atlantic las, dass Wilson und Kelling ihre Theorie auf ein einziges berühmtes Experiment gegründet hatten. Ein Wissenschaftler hatte in einem gutbürgerlichen Stadtteil ein Auto abgestellt und sich eine Woche lang nicht darum gekümmert. Nichts passierte in der Zeit. Doch als er mit einem Hammer zurückkam und eine Scheibe des Autos zertrümmerte, gab es kein Halten mehr. Normale Passanten demolierten es innerhalb weniger Stunden Der Name dieses Wissenschaftlers? Philip Zimbardo! Zimbardos Auto-Experiment, das nie in einer wissenschaftlichen Zeitschrift publiziert worden ist, bot die Inspiration für die Broken-Windows-Theorie. Und ebenso wie sein Stanford-Prison-Experiment ist auch diese Theorie inzwischen gründlich widerlegt. So wissen wir, dass die «innovative» Polizeiarbeit William Brattons und seiner Brattonistas keineswegs den Rückgang der Kriminalität in New York verursacht hat. Der Rückgang hatte nämlich schon früher eingesetzt, und er vollzog sich auch in anderen Städten. In San Diego zum Beispiel, wo die Polizei eher unbedeutende Ruhestörer bewusst in Ruhe ließ.
Von Rutger Bregman im Buch Im Grunde gut (2019) im Text Tee trinken mit Terroristen

iconVerwandte Objeke

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Verwandte Begriffe
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Gewaltverbrechen(0.1)

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