
SituationProblemSolver (SPS) ist ein psychologisches Prozessmodell
zum Verstehen und Lösen von mathematischen Textaufgaben
(REUSSER,1986,1987 ,1988)1 2
• SPS ist als Computerprogramm
auf einer Xerox AI Arbeitsstation 1186 in Interlisp-D implementiert.
Die hier beschriebene Implementation SPS-I stellt in
erster Linie einen Hinlänglichkeitstest (sufficiency test) für
das Modell SPS dar: Durch eine lauffähige Implementation einer
Theorie wird gezeigt, dass die Theorie hinreichend präzise und
explizit formalisiert ist. Durch die Verwendung einer implementierten
Theorie wird diese auch in idealer Weise kommunizierbar
und explorierbar. Indem eine komplexe Theorie als Computerprogramm
"zum Laufen gebracht wird", kann sie intersubjektiv
inspiziert und in Aufbau und Wirkungsweise studiert werden.
Computerprogramme zwingen den psychologisch-didaktischen Theoretiker
in rigoroser Weise, seine Intuitionen explizit zu
machen, das heisst sie zu prozeduralisieren und zu funktionalisieren.
Man kann nicht mehr einfach in einer Theorie strukturelle
Entitäten und Prozesse postulieren, ohne zu zeigen, welche
Struktur sie im Detail aufweisen bzw. was sie tun und wie
sie funktionieren. Das heisst nicht, dass eine Implementation
der zugrunde liegenden psychologischen Theorie einfach äquivalent
ist, oder dass es so etwas wie eine Eins-zu-eins-Umsetzung
einer Theorie in ein Programm gibt. Eine Programmiersprache wie
das hier verwendete Lisp, ist weder eine Theoriesprache für
Gehirnprozesse noch die oberste Metasprache für die theoretische
Beschreibung psychologischer Prozesse. Aber Lisp - wie
andere Programmiersprachen - ist ein wohldefiniertes, äusserst
flexibles und durchsichtiges symbolisches Regelsystem, welches
es erlaubt, psychologisch-theoretische Intuitionen in einer
formalen Sprache auszudrücken. Eine computersimulierte Theorie
ermöglicht eine Diskussion darüber, mit welcher theoretischen
oder empirischen Legitimation welche Wissensstrukturen und
Prozesse mit welchen Mitteln modelliert worden sind. Und nicht
zuletzt lassen sich bei einer Computer-Modellierung auch die
weiteren theoretischen und empirischen Konsequenzen einer komplexen
Theorie besser studieren und abschätzen als dies ohne
Simulation, sozusagen allein durch blosse Reflexion, oder mit
Papier und Bleistift, möglich wäre.
Der vorliegende Bericht beschreibt den Aufbau und die Arbeitsweise
von SPS-I als maschinelle Realisierung des psychologischen
Modells SituationProblemSolver. Im ersten Teil werden
Architektur und Funktionsweise des Computerprogrammes als Produktionssystem
erläutert. Dann werden die Grundbausteine von
SPS-I vorgestellt. Es sind dies das Lex ikon des wortsprachlichen
Wissens, die Produktionsregeln, welche die Strategien des
Verstehens und Lösens der Aufgaben ausdrücken, und schliesslich
die Funktionen des Mustervergleichs, der Frame-Handhabung und
der Frame-Modifikation sowie des Verarbeitungsflusses (flow of
control).