
Lehrmittel und Schulbücher sind für Lehrpersonen häufig weit wichtiger
als Lehrpläne. Das lässt sich an einem Beispiel zeigen. Im Kanton
Zürich wurde vor zehn Jahren ein neuer Lehrplan der Volksschule in
Kraft gesetzt, vergleichbar den 2004 vorgelegten neuen Bildungsplänen
in Baden-Württemberg. An der Erstellung des Zürcher Volksschullehrplans
waren viele sehr engagierte Lehrkräfte beteiligt. Der Lehrplan
stieß in der Vernehmlassung172 auf große Zustimmung und wurde am
Ende einhellig begrüßt. Man sah sich nach einer aufwändigen Erprobung
in der Lehrplanarbeit auf einem guten Weg und größere Probleme
bestanden nicht.
Wenige Jahre später wurde eine kantonsweite Evaluation des Nutzungsverhaltens
durchgeführt. Ihr zentrales Ergebnis war, dass auch
dieser neue – an sich schlanke – Lehrplan in den Schulen nicht systematisch
verwendet wurde und eher nur geringen Einfluss auf den Unterricht
hatte (Landert/Stamm/Trachsler 1998). Routine und Repertoire
der Lehrkräfte waren davon nicht wirklich berührt, und die Unterrichtspraxis
wurde nicht auf eine neue Basis gestellt, wie bei der Einführung
erwartet wurde. Lehrpläne wollen Ideale sein, die gleichwohl Bindungscharakter
haben sollen (Fries 1998), ohne dadurch mehr zu sein
als ein Rahmen, der den tatsächlichen Unterricht nicht wirklich vorschreiben
kann. Die Lehrkräfte unterrichten nicht strikt „nach Lehrplan“,
sondern benutzen Lehrpläne in verschiedenen Funktionen, darunter
auch derjenigen der Legitimation ihres Unterrichts.