Behauptung 54: Internet macht einsam. |
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Bemerkungen
Studien in jüngerer Zeit weisen recht einhellig einen positiven Zusammenhang zwischen
Internetnutzung (vor allem Nachrichtenseiten und Foren) und politisch-gesellschaftlicher
Teilhabe auf (Bakker & de Vreese, 2011; Hargittai & Shaw, 2013; Moeller, de Vreese, Esser, &
Kunz, 2014).
Von Markus Appel, Constanze Schreiner im Text Leben in einer digitalen Welt: Wissenschaftliche Befundlage und problematische Fehlschlüsse (2015) Die Vorstellung, dass das Internet soziale Beziehungen zerstört, ist [...] als technikdeterministisch zu kennzeichnen. Ob Netzaktivitäten einer Person soziale Beziehungen beeinträchtigen, hängt nämlich davon ab, wie das Internet-Engagement sich im einzelnen gestaltet und wie es sich in den Beziehungsalltag einfügt.
Von Nicola Döring im Buch Sozialpsychologie des Internet (1999) im Text Soziale Beziehungen und Internet auf Seite 332So
lassen sich Studien finden, die darauf hindeuten, dass die Zeit, die mit dem Internet
verbracht wird, in Zusammenhang mit höherer Einsamkeit steht (z.B. Stepanikova, Nie,
& He, 2009), während andere Studien eher positive Effekte von Internetnutzung auf
Einsamkeit bzw. Wohlbefinden allgemein aufzeigen (z.B. Kraut, Kiesler, Boneva,
Cummings, Helgeson, & Crowford, 2002).
Von Markus Appel, Constanze Schreiner im Text Digitale Demenz? (2014) Herr Döbeli Honegger, wenn Sie über digitalen Mediengebrauch reden, verwenden Sie oft Begriffe wie «kollektiv» und «aktiv». Führen allgegenwärtiger Smartphone-Gebrauch und Facebook nicht eher zur Vereinsamung und zum Verlust sozialer Kontakte und
Kompetenzen?
Ich habe das Gefühl, spätestens seit dem Aufkommen von sozialen Medien wie Facebook ist klar, dass man nicht mehr einsam vor dem Computer sitzt. Jugendliche schauen das nicht als Technik an. Für sie sind das Korrimunikationsmedien.
Von Beat Döbeli Honegger, Fabienne Schmuki im Text Smartphones im Chindsgi (2013) Ich habe das Gefühl, spätestens seit dem Aufkommen von sozialen Medien wie Facebook ist klar, dass man nicht mehr einsam vor dem Computer sitzt. Jugendliche schauen das nicht als Technik an. Für sie sind das Korrimunikationsmedien.
Dennoch sitzt der Jugendliche dabei alleine vor dem Computer und kommuniziert über einen Bildschirm.
Das ist eine etwas einseitige Beschreibung der Realität, Kinder und Jugendliche sitzen oft auch zu zweit oder zu dritt vor dem Computer! So betrachtet: Sind Bücher nicht Vereinsamungstechnologien? Im Intemet kursiert ein lustiger Text mit der Frage, wie es wäre, wenn es seit 500 Jahren Computer gäbe und erst jetzt Bücher aufkämen. Dann würde ein Proteststurm losgehen, die Leute würden sagen: «Das ist ja schrecklich! Diese Kinder sitzen nur noch alleine herum und lesen und die Bücher haben nicht mal Ton oder Bild. Das macht die Kinder einsam, sie werden dick und phlegmatisch.»
Von Beat Döbeli Honegger, Fabienne Schmuki im Text Smartphones im Chindsgi (2013) Das ist eine etwas einseitige Beschreibung der Realität, Kinder und Jugendliche sitzen oft auch zu zweit oder zu dritt vor dem Computer! So betrachtet: Sind Bücher nicht Vereinsamungstechnologien? Im Intemet kursiert ein lustiger Text mit der Frage, wie es wäre, wenn es seit 500 Jahren Computer gäbe und erst jetzt Bücher aufkämen. Dann würde ein Proteststurm losgehen, die Leute würden sagen: «Das ist ja schrecklich! Diese Kinder sitzen nur noch alleine herum und lesen und die Bücher haben nicht mal Ton oder Bild. Das macht die Kinder einsam, sie werden dick und phlegmatisch.»
Ebenso sieht es aus, wenn man die subjektive Einsamkeit
betrachtet: Der Schätzbereich für den Zusammenhang
zwischen Internetnutzung und Einsamkeit lässt sich auf der
Basis von 37 verschiedenen Datensätzen (Huang 2010)
metaanalytisch auf –.02 bis +.07 festlegen, im Mittel liegt
er bei r=+.02. Wieder weicht der Korrelationskoeffizient
nicht überzufällig von Null ab. Für Depressivität gilt dasselbe,
der Schätzbereich liegt zwischen r=-.05 und r=+.06,
im Durchschnitt bei r=+.01. Wer das Internet intensiv nutzt,
ist somit nicht signifikant einsamer oder depressiver – aber
auch nicht signifikant weniger einsam oder weniger depressiv
– im Vergleich zu Menschen, die gar nicht oder selten
online gehen.
Von Nicola Döring in der Zeitschrift Der Bürger im Staat 4/2014 im Text Psychische Folgen der Internetnutzung (2014) Aus Sicht von Personen, die in der Buchkultur aufgewachsen sind, gibt es weitere Befürchtungen: Die Informationen im Internet seien nicht verlässlich, sie seien banal oder es seien gar Verschwörungstheorien. Wir würden nur noch vor den Computern sitzen und nicht mehr nach draußen gehen und Freunde treffen. Oder wir würden den Bezug zur Realität verlieren. Wer mit dem Internet aufgewachsen ist, kann solche Aussagen kaum nachvollziehen. Für Digital Natives ist das Leben mit dem Internet Realität, sie nutzen Online-Dienste wie etwa Facebook unter anderem genau dazu, um den abendlichen Ausgang zu organisieren. Sie schätzen die Meinungsvielfalt des Internets. Und sie nutzen ihr Gedächtnis, um sich beispielsweise zu merken, wo sie spannende Informationsbeiträge gesehen haben und von wem sie stammen.
Von Nando Stöcklin im Buch Zukunft des Lernens (2012) im Text Von analog zu digital Betrachten wir etwa die Befürchtung, dass durch Internetnutzung
die Face-to-Face-Kommunikation verdrängt wird.
Würde die Annahme stimmen, so müsste man eine statistisch
signifikante negative Korrelation nennenswerter Effektgröße
zwischen den beiden Variablen Intensität der
Internetnutzung und Intensität der Face-to-Face-Kommunikation
finden (d. h. je mehr Internetnutzung, umso weniger
Face-to-Face-Kommunikation). Die Metaanalyse von Irina
Shklovski, Sara Kiesler und Robert Kraut (2006) zeigte anhand
von 48 unabhängigen Datensätzen jedoch eine
durchschnittliche Korrelation von r=+.01, wobei das
95-prozentige Konfidenzintervall – der Schätzbereich für
das Ergebnis – zwischen r=.00 und r=+.02 liegt. Das heißt,
statistisch besteht hier kein Zusammenhang: Die Korrelation
liegt bei einem möglichen Wertebereich von –1.00
(perfekte negative Korrelation) bis +1.00 (perfekte positive
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PSYCHISCHE FOLGEN DER INTERNETNUTZUNG
Korrelation) empirisch ganz nahe bei .00 (keine Korrelation).
Das wiederum bedeutet, dass manche Leute, die intensiv
das Internet nutzen, besonders viel Face-to-Face
kommunizieren, andere wiederum besonders wenig, wieder
andere durchschnittlich viel – ein systematischer Zusammenhang
in die eine oder andere Richtung ist nicht
feststellbar.
Von Nicola Döring in der Zeitschrift Der Bürger im Staat 4/2014 im Text Psychische Folgen der Internetnutzung (2014) Verwandte Begriffe
Zitationsgraph
Zeitleiste
24 Erwähnungen
- Growing Up Digital - The Rise of the Net Generation (Don Tapscott) (1997)
- 6. The N-Gen Mind: Part II
- Internet - Schöne neue Welt? - Der Report über die unsichtbaren Risiken (David Rosenthal) (1999)
- Sozialpsychologie des Internet - Die Bedeutung des Internet für Kommunikationsprozesse, Identitäten, soziale Beziehungen und Gruppen (Nicola Döring) (1999)
- LogOut - Warum Computer nichts im Klassenzimmer zu suchen haben und andere High-Tech-Ketzereien (Clifford Stoll) (1999)
- Isoliert durchs Internet
- Wa(h)re Freunde - Wie sich unsere Beziehungen in sozialen Online-Netzwerken verändern (Thomas Wanhoff) (2011)
- Gefangen im Netz? - Onlinesucht: Chats, Onlinespiele, Cybersex (Gabriele Farke) (2011)
- Keine E-Mail für Dich - Warum wir trotz Facebook & Co. vereinsamen (Franziska Kühne) (2012)
- Digitale Demenz - Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (Manfred Spitzer) (2012)
- Zukunft des Lernens (Edith Blaschitz, Gerhard Brandhofer, Christian Nosko, Gerhard Schwed) (2012)
- Von analog zu digital - Die neuen Herausforderungen für die Schule (Nando Stöcklin)
- Medienkompetenz - Tipps zum sicheren Umgang mit digitalen Medien (Sarah Genner, Daniel Süss, Gregor Waller, Isabel Willemse, Eveline Hipeli) (2013)
- Wie Kinder heute wachsen - Natur als Entwicklungsraum. Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen, Fühlen und Denken (Herbert Renz-Polster, Gerald Hüther) (2013)
- Smartphones im Chindsgi (Beat Döbeli Honegger, Fabienne Schmuki) (2013)
- Spielwiese Internet - Sucht ohne Suchtmittel (Kai Müller) (2013)
- Digitale Demenz? - Mythen und wissenschaftliche Befundlage zur Auswirkung von Internetnutzung (Markus Appel, Constanze Schreiner) (2014)
- Der Bürger im Staat 4/2014 - Politik und Internet (2014)
- Leben in einer digitalen Welt: Wissenschaftliche Befundlage und problematische Fehlschlüsse - Stellungnahme zur Erwiderung von Spitzer (2015) (Markus Appel, Constanze Schreiner) (2015)
- Reclaiming Conversation - The Power of Talk in a Digital Age (Sherry Turkle) (2015)
- Fritz & Fränzi 8/2015 (2015)
- «Die sozialen Netzwerke sind die Rache der Kinder!» (Daniel Miller, Bianca Fritz)
- Cyberkrank! - Wie das digitalisierte Leben unsere Gesundheit ruiniert (Manfred Spitzer) (2015)
- 12. Digital depressiv und einsam
- Cyberpsychologie - Leben im Netz: Wie das Internet uns verändert (Catarina Katzer) (2016)
- Wasting Time on the Internet (Kenneth Goldsmith) (2016)
- Digitale Paranoia - Online bleiben, ohne den Verstand zu verlieren (Jan Kalbitzer) (2016)
- Ex-Mitarbeiter warnen vor Facebook (Helmut Martin-Jung) (2018)
- «Ich will meine Kinder vor der digitalen Gehirnwäsche schützen» - Margarita Louis-Dreyfus im Interview (Margarita Louis-Dreyfus, Claudia Blumer) (2024)