Der digitale Raum als vierter Pädagoge |
Bemerkungen
Nehmen Sie Software nicht als didaktisch neutral! Jede Software hat ihr didaktisches Leitbild, auch Software die verspricht, alles zu können.
Von Peter Baumgartner im Konferenz-Band Web Based Training 2003 (2003) im Text Didaktik, E-Learning-Strategien, Softwarewerkzeuge und Standards Ich habe den digitalen Raum absichtlich als vierten Pädagogen bezeichnet und ihn nicht einfach als Variante des physischen Raums gesehen, denn wir verschwinden ja nicht aus dem physischen Raum, nur weil wir in einen digitalen Raum eintreten, sondern wir sind dann gleichzeitig in zwei Räumen.
Von Beat Döbeli Honegger, erfasst im Biblionetz am 15.01.2022Konkret: So wie in einem physischen
Unterrichtsraum die Anordnung der Tische und Bänke eine Sichtweise von Unterricht
ausdrückt und diese auch mitprägt, so geschieht dies in einem virtuellen Unterrichtsraum
beispielsweise durch fix zugeteilte Rollen als Lehrende und Lernende
und entsprechend unterschiedliche Berechtigungen.
Von Beat Döbeli Honegger im Journal Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung 3/2021 im Text Covid-19 und die digitale Transformation in der Schweizer Lehrerinnen- und Lehrerbildung (2021) Der Raum wirkt als dritter Pädagoge: Umgebung bildet und erzieht. Das gilt nicht
nur für physische Lernorte, sondern auch für digitale Lernumgebungen. Es ist deshalb
kein Zufall, dass Schulen, welche personalisierte Lernkonzepte realisieren, auch
unter jenen zu finden sind, welche Pionierarbeit in der Nutzung von Lernplattformen
leisten.
Von G. Brägger, Frido Koch im Buch Handbuch Lernen mit digitalen Medien (2021) im Text Potenziale von Lern- und Arbeitsplattformen für die Unterrichtsentwicklung So wie die physische Schulraumgestaltung
die Schulkultur und
das Bild von Lehr- und Lernprozessen
prägt, so werden dies künftig digitale
Lernumgebungen tun. Insbesondere
Lernplattformen bieten nicht nur
Möglichkeiten, sondern schränken
diese mit rigider Rechteverwaltung
und vorgegebenen Abläufen auch ein.
Je stärker digitale Werkzeuge im Bildungsbereich
genutzt werden, desto
wichtiger wird es etwa, darauf zu
achten, wie deren implizite Sichtweise
Lehren und Lernen beeinflusst.
Von Beat Döbeli Honegger in der Zeitschrift Pädagogik 05/2021 im Text Was machen wir mit der Digitalisierung? (2021) auf Seite 45Derzeit (2021) stosse ich bei Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern im Bildungswesen oft noch auf Unverständnis, wenn ich behaupte, dass digitale Lernumbegungen den Unterricht prägen würden. Für viele sind digitale Lernumgebungen vergleichbar mit der Heizung eines Schulhauses: Braucht es, sind aber nicht matchentscheidend.
Ich verwende deshalb die Metapher des vierten Pädagogen, weil viele im Schulumfeld (zu Recht) überzeugt sind, dass der physische Raum Lehren & Lernen prägt. Damit wird der argumentative Transfer einfacher: Nachdem sich das Gegenüber vergegenwärtigt hat, dass die Sitzordnung und die sonstige Einrichtung eines Schulzimmers den Unterricht prägt, wird auch verständlicher, dass dies bei digitalen Lernumgebungen ebenso sein dürfte.
Von Beat Döbeli Honegger, erfasst im Biblionetz am 15.01.2022Ich verwende deshalb die Metapher des vierten Pädagogen, weil viele im Schulumfeld (zu Recht) überzeugt sind, dass der physische Raum Lehren & Lernen prägt. Damit wird der argumentative Transfer einfacher: Nachdem sich das Gegenüber vergegenwärtigt hat, dass die Sitzordnung und die sonstige Einrichtung eines Schulzimmers den Unterricht prägt, wird auch verständlicher, dass dies bei digitalen Lernumgebungen ebenso sein dürfte.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist es jedoch zu betonen, dass beide Arten von
Softwarewerkzeugen (Lern- und Arbeitswerkzeuge) didaktisch nicht neutral sind. Ob
sich die ProgrammentwicklerInnen dessen bewusst sind oder nicht: Sie
implementieren pädagogische Theorie! Wenn z.B. ein komplexes Lernmanagement
System in erster Linie individuelle Drill & Practice Werkzeuge implementiert und
dabei kooperatives Arbeiten nicht vorsieht, so ist klar, dass damit (wenn auch
implizit) eine ganz bestimmte erziehungswissenschaftliche Theorie implementiert wurde. Die präferierte Theorie zeigt sich bei komplexen Systemen, die fast alle
derzeit am Markt befindliche Funktionen beinhalten sowwohl in den gewählten
Voreinstellungen (Präferenzen) und daran wie sichtbar (leicht) einige Funktionen
genutzt werden können, andere aber nicht.
Von Peter Baumgartner im Konferenz-Band Web Based Training 2003 (2003) im Text Didaktik, E-Learning-Strategien, Softwarewerkzeuge und Standards In der Literatur zur Schularchitektur bzw. Lernraumgestaltung wird im Rückgriff
auf Loris Malaguzzi und die Reggio-Pädagogik gern die besondere Rolle des
Raums als „dritter Pädagoge“ in Lernprozessen betont (vgl. u.a. Dobrowsky,
2012, 159; Schäfer & Schäfer, 2009, 235). Der Raum ist in diesem Verständnis
weit mehr als ein Versammlungsort für Lehrende und Lernende. Räume sind
soziale Landschaften und gleichzeitig individuelle Umgebungen, die motivierend
und fördernd, aber auch hemmend und entmutigend wirken können.
Raumgrenzen und Rahmenbedingungen wie Einrichtung, Aufteilung,
Geräuschpegel oder auch Lichtverhältnisse haben in physischen Räumen
Einfluss auf den Lernerfolg. Das gilt in vielleicht noch stärkerem Maße auch
für virtuelle Lernräume, die im Zeitalter des Internets an Bedeutung gewinnen.
Dabei wurden diese bislang meist als Erweiterung oder digitale Replik des physischen
Lernraums umgesetzt.
Von Daniela Pscheida, Andrea Lißner, Anja Lorenz, Nina Kahnwald im Konferenz-Band Lernräume gestalten - Bildungskontexte vielfältig denken (2014) im Text Vom Raum in die Cloud: Lehren und Lernen in cMOOCs auf Seite 292Dass die Schulhausarchitektur,
die Schulzimmerausstattung und die Anordnung
von Tischen und Stühlen den Unterricht prägen, ist
unter dem Schlagwort «Der Raum als dritter Pädagoge
» allgemein bekannt. Wenn sich nun Schülerinnen
und Schüler immer mehr in digitalen Lernumgebungen
bewegen, entsteht ein digitaler Raum, der Lehrund
Lernprozesse ebenso prägt wie der physische
Raum. Welche Rollen sind in einer Lernumgebung
vorgesehen? Welche Aktivitäten einer Schülerin
sind für den Rest der Klasse oder die Lehrperson
sichtbar? Wer darf in einer Lernumgebung wo etwas
ergänzen oder ändern? Solche in Software gegossene
Regeln enthalten eine Vorstellung davon, wie sich
die Entwicklerinnen und Entwickler das Geschehen
in einer Schule vorstellen. Da sich Datenstrukturen
und Prozesse in Lernumgebungen nicht so einfach
umgehen lassen, können sie das Unterrichtsgeschehen
stark prägen und einschränken. Schulen sollten
also vor der Wahl neuer Lernumgebungen prüfen, ob
die in der Lernumgebung enthaltene Sichtweise von
Lehren und Lernen zum eigenen Leitbild passt.
Von Beat Döbeli Honegger in der Zeitschrift fokus 1/2022 im Text Digidaktik oder Datadaktik? (2022) 10 Vorträge von Beat mit Bezug
- Schule, wie hältst du es mit den Daten?
Schulleitungstagung der Stadt Zürich
Zürich, 21.01.2021 - Unsere Schule in der digitalen Welt
Schulleitungsforum Basellandschaft, 26.05.2021 - Was machen wir mit der Digitalisierung?
Bildungsrat des Kantons Zug, 23.06.2021 - Mehr als 0 und 1?
Ausgabe 2021
CAS Digital Leadership, 09.07.2021 - Was machen wir mit der Digitalisierung - und was verstärken Stiftungen?
Netzwerktreffen Digitalisierung, Schweizer Stiftungen, 20.10.2021 - Anforderungen an die Lehrkräftebildung MIT - ÜBER - IN digitalen Medien
QLB-BMBF-Kongress Berlin, 22.11.2021 - Digidaktik oder Datadaktik
Was machen wir mit der Digitalisierung an den Schulen?
GDI Rüschlikon, 22.03.2022 - Der digitale Raum als vierter Pädagoge
ilz-Symposium, Solothurn, 24.03.2023 - ChatGPT & Co. – eine Etappe auf der Reise nach Digitalien
CAS Lernreise, 19.01.2024 - Ist digitale Souveränität zu schaffen?
DACH-Seminar 2024 von EDK, KMK und BMBWF
Luzern, 27.05.2024
Einträge in Beats Blog
Zitationsgraph
Zeitleiste
11 Erwähnungen
- Web Based Training 2003 (Maike Franzen) (2003)
- 1. Didaktik, E-Learning-Strategien, Softwarewerkzeuge und Standards - Wie passt das zusammen? (Peter Baumgartner)
- Lernräume gestalten - Bildungskontexte vielfältig denken - Tagungsband der GMW-Jahrestagung 2014 (Klaus Rummler) (2014)
- Vom Raum in die Cloud: Lehren und Lernen in cMOOCs (Daniela Pscheida, Andrea Lißner, Anja Lorenz, Nina Kahnwald)
- Pädagogik 05/2021 (2021)
- Digitalisierung aus pädagogische Perspektive (2021)
- Handbuch Lernen mit digitalen Medien (G. Brägger, Hans-Günter Rolff) (2021)
- Potenziale von Lern- und Arbeitsplattformen für die Unterrichtsentwicklung (G. Brägger, Frido Koch)
- Die Sehnsucht nach dem Büro und dem informellen Austausch - Erfahrungen mit dem digitalen Nachbau des Hochschulcampus während der coronabedingten Fernlehre und Homeofficepflicht (Beat Döbeli Honegger) (2021)
- Dimensionen pädagogischer Räume - Erleben - Begegnen - Lernen (Ulrike Barth, Thomas Maschke) (2021)
- Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung 3/2021 (2021)
- fokus 1/2022 (2022)
- Kritik am SAMR-Modell 2.0 (Michael Schöngarth) (2022)
- Individuelle Förderung und Digitalität (Götz Bieber, Julia Gerick) (2022)
- Was unter «Individuelle Förderung und Digitalität» verstanden wird, ist oft sehr individuell… - … und wird zunehmend von der eingesetzten Software geprägt (Beat Döbeli Honegger) (2022)