Morozov stellt sich in diesem Kapitel gegen den sowohl bei Internetoptimisten als auch -pessimisten oft feststellbaren Technikdeterminismus, wonach "das Internet" eigenen, von Menschen nicht beeinflussbaren Gesetzen gehorchen würde und die das Internet somit oft beinahe als unumstössliches Naturgesetz betrachten.

Intemetskeptiker und Intemetoptimisten haben interessanterweise eine ganze Menge gemeinsam. Beide gehen bei der Formulierung ihrer Argumente von bestimmten festen Vorstellungen über »das Internet« aus. Wenn wir den Begriff streichen und gleich auch seine simplifizierenden Annahmen über die selbstverständlichen Vorteile von Offenheit und Öffentlichkeit, stehen die Experten auf einmal vor komplexen empirischen Zusammenhängen und müssen sich mit der Politik von Algorithmen befassen, mit der Geschichte der Gesichtserkennungstechnik, müssen ergründen, wie Techniken wie »Deep Packet Inspection« tatsächlich funktionieren. Solange der Intemetzentrismus dominiert, wird unsere Technikdebatte träge, seicht und unproduktiv bleiben. Egal, wie viele TED-Konferenzen und Kindle-Singles es dazu gibt, »das Internet« wird uns nicht sagen, ob wir regelmäßige öffentliche Überprüfungen von Suchmaschinengiganten wie Google brauchen. Natürlich könnten die Experten einwenden, solche Überprüfungen seien »Krieg gegen die Offenheit des Internets« - aber genau diesen Diskurs müssen wir vermeiden, weil er sich mit einem mystischen Wesen befasst.