Didaktisches Design aus hochschuldidaktischer SichtEin Plädoyer für offene Lernsituationen
Zu finden in: Didaktik und Neue Medien (Seite 19 bis 49), 2004
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Zusammenfassungen
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
Seit Gagné versuchen Vertreter des Instruktionsdesigns eine optimale Passung zwischen lernenden Individuen und möglichen Methoden herzustellen und hierfür eindeutige Entscheidungsregeln zu entwickeln - eine Vorgehensweise, die zu Beginn des E-Learning-Booms für viele Praktiker sehr attraktiv klang. Inzwischen aber - so Schulmeister - sei das Instruktionsdesign vom Konstruktivismus und von der Verbreitung netzbasierter Hypertext-Systeme überholt worden. Die Folge ist, dass man nun weniger versucht, Systeme an die Lernenden anzupassen, sondern Lernenden die Möglichkeit eröffnen will, selbst Anpassungsprozesse in entsprechend offenen Umgebungen vorzunehmen.
Sowohl individuelles Lernen mit Standardinhalten als auch Lerngemeinschaften ohne fixierte Inhalte brauchen - wenn es sich um E-Learning handelt - ein Lernobjekt. Dieses Lernobjekt ist beim virtuellen Lernen (anders als in Präsenzveranstaltungen) zunächst einmal der einzige Gegenstand der individuellen Auseinandersetzung; eine soziale Präsenz (in der Face-to-Face-Situation automatisch gegeben) muss erst mühsam hergestellt werden. Das Lernobjekt steht für Schulmeister daher im Zentrum des didaktischen Dreiecks virtuellen Lernens, dessen Eckpunkte durch die lernpsychologischen Faktoren Kognition, Kommunikation und Kollaboration gekennzeichnet sind. In virtuellen Lernumgebungen für individualisiertes Lernen setzt sich der Lernende in erster Linie kognitiv mit dem Lernobjekt auseinander und konstruiert (im Idealfall) individuelles Wissen. Die Qualität des Lernobjekts (vor allem seine Interaktivität, s.u.) ist vor diesem Hintergrund von großer Bedeutung. Diese Form des kognitiven Lernens aber kann und sollte nach Schulmeister durch Prozesse der Kommunikation und der Kollaboration ergänzt werden: Durch Kommunikation mit anderen Lernenden und dem Lehrenden kann Verständigung erreicht und Wissen konventionalisiert werden; durch Kollaboration von Individuen ist darüber hinaus eine gemeinsame (Ko-)Konstruktion von Wissen möglich.
Der bereits angesprochenen Interaktivität des Lernobjekts wird ein eigener Abschnitt gewidmet: Mit Interaktivität ist weder die Kommunikation als Interaktion noch die Interaktion mit dem Computer oder der Benutzerschnittstelle, gemeint. Vielmehr beschreibt Schulmeister mit Interaktivität die Handlungsmöglichkeiten (und damit Freiheitsgrade) des Lernenden beim Umgang mit Lernobjekten, und diesen kommt für einen aktiv-konstruktiven Lernprozess ein besonderer Stellenwert zu. Das Komplement zu der so verstandenen Interaktivität ist das Feedback, das implizit von Lernobjekten ausgehen oder explizit vom Lehrenden oder von anderen Lernenden gegeben werden kann. Dabei kann sich Feedback auf kognitive Lernprozesse ebenso beziehen wie auf Kommunikationsprozesse oder kooperatives Verhalten in der Lernumgebung, wobei den letzteren beiden Feedbackformen in der Praxis des E-Learning noch zu wenig Beachtung geschenkt wird.
Der letzte Teil des Artikels beschäftigt sich mit der von Instruktionalisten wenig behandelten Frage der Lehr- und Lernstile und deren Bedeutung beim E-Learning. Den Lehrstil bezieht Schulmeister zum einen auf das Dreieck virtuellen Lernens, weist zum anderen aber auch auf andere Einteilungsversuche, wie die von Baumgartner (Link zum Baumgartner-Text) hin. Eine weitaus größere Menge und Vielfalt von Ansätzen aber findet man beim Thema Lernstile bzw. Lerntypen, aus denen Schulmeister das Modell des Lernzyklus von Kolb genauer darstellt. Dieses Modell hat den Vorteil, dass es theoretisch fundiert und anschlussfähig an ein konstruktivistisches Lernverständnis ist. Worauf es Schulmeister bei der Diskussion von Lernstilen und Lerntypen ankommt, ist die Einsicht, dass es individuelle Varianzen gibt, die bestimmten Formen des Lehrens entgegenkommen und mit anderen wiederum schwer vereinbar sind. Dieses Phänomen durch (endlose) Differenzierung von (E-Learning-) Umgebungen nach instruktionalistischer Manier auffangen zu wollen, ist nicht machbar, sodass auch hier wieder offene Lernumgebungen die probatestes Problemlösung darstellen.
Der Artikel bespricht viele interessante Aspekte des E-Learning - vielleicht zu viele mit der Folge, dass die Übersichtlichkeit der Ausführungen mitunter leidet. Dafür aber spiegelt genau diese Vielfalt die Komplexität wieder, mit der Lehrende und Lernende beim E-Learning konfrontiert sind und die sich - so auch meine Einschätzung - schwerlich mit einfachen Taxonomien und Wenn-Dann-Regeln einfangen und steuern lässt.
Quelle: [www.elearning-reviews.org]
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Beat und dieser Text
Beat war Co-Leiter des ICT-Kompetenzzentrums TOP während er Dieser Text ins Biblionetz aufgenommen hat. Die bisher letzte Bearbeitung erfolgte während seiner Zeit am Institut für Medien und Schule. Beat besitzt kein physisches, aber ein digitales Exemplar. Eine digitale Version ist auf dem Internet verfügbar (s.o.).