Beantwortung der Fragen zum Thema Digitalisierung der Enquetekommission «Kein Kind zurücklassen»Matthias Burchardt
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Zusammenfassungen
Die Risiken der Nutzung digitaler Medien sind vielfältig. Sie betreffen einerseits
negative Einflüsse auf die körperliche, geistige, soziale und charakterliche
Entwicklung, insofern die Virtualisierung den Erfahrungsraum
des Realen transformiert, überlagert oder entzieht. Andererseits
öffnet die Abkopplung von einer widerständigen und eben darum bildungsrelevanten
Realität und die Ankopplung an die Virtualität, vielen
anti-emanzipatorischen, ideologischen und ökonomischen Einflüssen
Tür und Tor: Die Kinder werden in einem unmerklichen Kontrolldispositiv
ausgesetzt, das alle ihre Lebensregungen als Daten erheben kann, so
dass sie prinzipiell einer totalen Transparenz ausgeliefert sind. Panoptische
Kontrolle bedeutet die Verschränkung von Wissen und Steuerung.
Das Wissen wird im Rahmen von Big Data zu Herrschaftswissen, der Algorithmus
wird zur apersonalen Governante. Sozialtechnologie tritt an die Stelle des pädagogischen Handelns. An der pädagogischen Autorität
des Lehrers oder der Lehrerin kann man sich reiben, der Algorithmus
fordert prozeduralen Gehorsam, der eines jeden Menschen in der Tradition
von Humboldt oder Kant unwürdig ist.
Von Matthias Burchardt im Text Beantwortung der Fragen zum Thema Digitalisierung der Enquetekommission «Kein Kind zurücklassen» (2016) Bemerkungen
Von Beat Döbeli Honegger, erfasst im Biblionetz am 24.10.2016
Gewissen Analysen dieses Textes bezüglich der Gefahren des Digitalen für die Schule könnte ich mich ja anschliessen, aber der daraus gezogene Schluss der Abstinenz scheint mir nicht wirklich zielführend zu sein.
Von Beat Döbeli Honegger, erfasst im Biblionetz am 24.10.2016Dieser Text erwähnt ...
Dieser Text erwähnt vermutlich nicht ...
Nicht erwähnte Begriffe | Bildung, Datenschutz, Kinder, LehrerIn, Unterricht, Virtual Reality, Wissensmanagement |
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Zitate aus diesem Text
Eine Virtualisierung der Lebenswelt im Sinne einer Smartphone-Kindheit führt zu einer sensorischen, sozialen und kognitiven Depravation.
von Matthias Burchardt im Text Beantwortung der Fragen zum Thema Digitalisierung der Enquetekommission «Kein Kind zurücklassen» (2016) Streng genommen enteignet Lernsoftware die pädagogische und fachliche Autorität der Lehrenden und entmündigt die Lernenden in ihren Lernprozessen.
von Matthias Burchardt im Text Beantwortung der Fragen zum Thema Digitalisierung der Enquetekommission «Kein Kind zurücklassen» (2016) Im Übrigen wäre das Effizienzkriterium in seiner Reduktion auf Funktionalität seinerseits zu befragen. Selbst, wenn beispielsweise Elektroschocks effizienter zum Lernen von Vokabeln wären, als jedes and re Verfahren, verbietet es sich aus ethischen Gründen, weil es die Würde der Schülerinnen und Schüler verletzt und die oben genannten Bildungsziele konterkariert.
von Matthias Burchardt im Text Beantwortung der Fragen zum Thema Digitalisierung der Enquetekommission «Kein Kind zurücklassen» (2016) WLAN, sofern es auch für Schüler zugänglich ist, entgrenzt die Nutzung
des Internets und entzieht diese damit der Pädagogischen Verantwortung
und Gestaltung. Eine gezielte Bereitstellung stationärer Geräte
führt zu einer bewußteren Nutzung, da die räumliche oder organisatorische
Schwelle, Anlässe für Abwägungen und Entscheidungsalternativen
einer pädagogischen Nutzung schafft.
von Matthias Burchardt im Text Beantwortung der Fragen zum Thema Digitalisierung der Enquetekommission «Kein Kind zurücklassen» (2016) Die Flut der Materialien trifft den Lehrer an einem wunden Punkt: Ihr
Einsatz bedeutet Entlastung, eine genaue Prüfung eine Belastung. Die
Gefahr eines Qualitätsverlustes oder gar einer verfassungswidrigen
Ideologisierung von Schule durch die Hintertür der kostenlosen Lehrmaterialen
ist deshalb groß. Prinzip muss sein: Auf den Einsatz dieser Medien,
Materialien und Inhalte muss verzichtet werden, sofern und solange
die staatliche Aufsicht nicht gewährleistet werden kann.
von Matthias Burchardt im Text Beantwortung der Fragen zum Thema Digitalisierung der Enquetekommission «Kein Kind zurücklassen» (2016) Ganz fundamental unterbietet die Digitalisierung ein elementares
Grundphänomen, das alle elaborierten pädagogischen Situationen ermöglicht:
Lernen geschieht in Beziehung! Es vollzieht sich im Raum des
Sozialen und realisiert sich in der intensiven Beziehung zu einer Sache,
an der wir zum Individuum, zum Subjekt und zum Menschen werden.
Digitale Medien – sofern sie im Übermaß eingesetzt werden – tilgen sowohl
den Sozial- als auch den Sachbezug, mit gewaltigem Schaden für
den personalen Selbstbezug. In aller Schärfe: Der Entzug von Mitmenschen
und Realität führt zu Identitätsdiffusionen.
von Matthias Burchardt im Text Beantwortung der Fragen zum Thema Digitalisierung der Enquetekommission «Kein Kind zurücklassen» (2016) Die Nutzung von Handys sollte während der gesamten Schulzeit untersagt
sein. Während des Unterrichts führt es zu Ablenkungen (Vgl. fomsi:
fear of missing something important, gemeint ist die Abhängigkeit von
den Trivialnachrichten der Sozialen Netzwerken, die mit suchtinduzierenden
Belohnersystemen operieren, um die Nutzer an die Systeme zu
binden). In den Pausen führt die Nutzung der Geräte zu körperlicher
Immobilität und sozialer Vereinzelung. Die Kamerafunktion ist eine bedenkliche
und subtile Möglichkeit, unentdeckt Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte
von Mitschülerinnen und Mitschülern, Lehrerinnen und
Lehrern zu verletzten.
von Matthias Burchardt im Text Beantwortung der Fragen zum Thema Digitalisierung der Enquetekommission «Kein Kind zurücklassen» (2016) Gamification ist ein bedenklicher Trend, der Verhaltens- und Bewußtseinsänderungen
nicht auf dem Wege des Diskurses oder des Appells an
die mündige Person sucht, sondern als unterschwellige Steuerung über
Anreize, Belohnungen usf. . „Serious Games“ stellen die Schülerinnen
und Schüler in einen Handlungsrahmen, der diesen weder offengelegt
noch gestaltbar gemacht wird. Das kybernetisch-algorithmische Kraftfeld
steht nicht zur Disposition. Diese Spiele sind auf Anpassungsleistungen
angelegt und insofern anti-emanzipatorisch. (Vgl. Foucaults Studien
zur Gouvernementalität) Der Einsatz von „Serious Games“ in der Schule
ist deshalb kategorisch abzulehnen.
von Matthias Burchardt im Text Beantwortung der Fragen zum Thema Digitalisierung der Enquetekommission «Kein Kind zurücklassen» (2016) Bedenklich erscheint mir über die Aktualität hinaus, die langfristige Abhängigkeit,
in die sich ein Bildungswesen begibt, wenn es weniger auf
Lehrerinnen und Lehrer und mehr auf Geräte setzt. Die Übertragung von
Kernelementen der Lehrerrolle auf Maschinen bedeutet nicht nur eine
De-Qualifikation der Pädagoginnen und Pädagogen, sondern auch einen
Verlust an gestalterischer Unabhängigkeit. Wenn diese nämlich mittelfristig
zu Lotsen und Wartungspersonal im Maschinenpark herabgestuft
werden, ist das systemrelevante Schulwesen den Unternehmen hilflos
ausgeliefert. Dies betrifft die Wartungskosten, die kurzen Lebenszyklen
der Geräte, die kostenpflichtigen Updates der Software, aber auch den
schleichenden Verlust pädagogischer Expertise. Digitalisierung von Schule
gleicht insofern einer Prothesenverordnung für Gesunde, deren eigenen
Glieder dadurch verkümmern.
von Matthias Burchardt im Text Beantwortung der Fragen zum Thema Digitalisierung der Enquetekommission «Kein Kind zurücklassen» (2016) Die Risiken der Nutzung digitaler Medien sind vielfältig. Sie betreffen einerseits
negative Einflüsse auf die körperliche, geistige, soziale und charakterliche
Entwicklung, insofern die Virtualisierung den Erfahrungsraum
des Realen transformiert, überlagert oder entzieht. Andererseits
öffnet die Abkopplung von einer widerständigen und eben darum bildungsrelevanten
Realität und die Ankopplung an die Virtualität, vielen
anti-emanzipatorischen, ideologischen und ökonomischen Einflüssen
Tür und Tor: Die Kinder werden in einem unmerklichen Kontrolldispositiv
ausgesetzt, das alle ihre Lebensregungen als Daten erheben kann, so
dass sie prinzipiell einer totalen Transparenz ausgeliefert sind. Panoptische
Kontrolle bedeutet die Verschränkung von Wissen und Steuerung.
Das Wissen wird im Rahmen von Big Data zu Herrschaftswissen, der Algorithmus
wird zur apersonalen Governante. Sozialtechnologie tritt an die Stelle des pädagogischen Handelns. An der pädagogischen Autorität
des Lehrers oder der Lehrerin kann man sich reiben, der Algorithmus
fordert prozeduralen Gehorsam, der eines jeden Menschen in der Tradition
von Humboldt oder Kant unwürdig ist.
von Matthias Burchardt im Text Beantwortung der Fragen zum Thema Digitalisierung der Enquetekommission «Kein Kind zurücklassen» (2016) 3 Erwähnungen auf anderen Websites im Umfeld von Beat Döbeli Honegger
Website | Webseite | Datum |
---|---|---|
Argumente gegen das Digitale in der Schule | Argumente | 21.09.2011 |
Argumente gegen das Digitale in der Schule | "Entmündigte-Lehrpersonen"-Argument | 11.11.2016 |
Argumente gegen das Digitale in der Schule | "Entmündigte Lernende"-Argument | 11.11.2016 |
Zitationsgraph
Zitationsgraph (Beta-Test mit vis.js)
1 Erwähnungen
- Trojanisches Pferd «Digitale Bildung» - Auf dem Weg zur Konditionierungsanstalt in einer Schule ohne Lehrer? (Peter Hensinger) (2017)
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Beantwortung der Fragen zum Thema Digitalisierung der Enquetekommission "Kein Kind zurücklassen": Artikel als Volltext (: , 365 kByte; : Link unterbrochen? Letzte Überprüfung: 2020-11-28 Letzte erfolgreiche Überprüfung: 2019-01-28) |
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Beat und dieser Text
Beat hat Dieser Text während seiner Zeit am Institut für Medien und Schule (IMS) ins Biblionetz aufgenommen. Beat besitzt kein physisches, aber ein digitales Exemplar. Eine digitale Version ist auf dem Internet verfügbar (s.o.). Aufgrund der vielen Verknüpfungen im Biblionetz scheint er sich intensiver damit befasst zu haben. Es gibt bisher nur wenige Objekte im Biblionetz, die dieses Werk zitieren.